Neue Doku: Die Hobbits des Datensammelns (2024)

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Von: Bettina Fraschke

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Neue Doku: Die Hobbits des Datensammelns (1)

Klaus Sterns neue Doku „Watching You – Die Welt von Palantir und Alex Karp“ erzählt von der Faszination für geheimnisvolle Firmenchefs und der moralischen Vielschichtigkeit von Big Data.

Wir werden vom Staat und von Konzernen überwacht. Das ist gefährlich, aber irgendwie ist es auch gut, denn dann kann man die Bösewichte aufstöbern. Auf einem solchen doch eher oberflächlichen Niveau des technischen Verständnisses bewegt sich bei den allermeisten Menschen das Wissen um die gigantische Datensammlung und -Analyse, die sich Big Data nennt, und die auch Voraussetzung für Künstliche Intelligenz ist.

Der Kasseler Filmemacher Klaus Stern hat für sein neues Dokumentarfilm-Projekt diese geheimnisvolle und moralisch vieldeutigste Welt als Setting gewählt. Er erzählt vom Tech-Konzern Palantir und seinem Chef Alex Karp, einer der schillerndsten Persönlichkeiten im Silicon Valley, rätselhaft, unnahbar, wenn auch nicht so irrlichternd und ins Indiskutable abgedreht wie Elon Musk. „Watching you – Die Welt von Palantir und Alex Karp“ läuft ab Mittwoch in Kassel, Bundesstart ist der 6. Juni.

Klaus Sterns 98-Minüter, der unter anderem von Hessen Film unterstützt worden ist, wählt einen multiperspektivischen Ansatz. „Watching you“ versucht sowohl das Phänomen Palantir zu erklären, als auch der Persönlichkeit Alex Karp näher zu kommen mit biografischen Erkundungen, und zu guter Letzt erzählt die Doku auf einer selbstreferenziellen Ebene von dem Versuch, Karp zu treffen, der Hast auf der Davoser Sicherheitskonferenz, hinter ihm her zu laufen, eine Sekunde lang seine Aufmerksamkeit zu ergattern, zu versuchen, die Tech-Sphinx zu einer Verabredung zu bewegen. Vergeblich, stellt sich heraus. Aber eben für die Zuschauer unterhaltsam. Dass Klaus Stern sich selbst auf diese Weise ins Bild setzt, ist neu.

Gut gewählt sind die Gesprächspartner, die der in der Schwalm gebürtige Filmemacher gewählt hat: „Manager Magazin“-Redakteurin Christina Kyriasoglou recherchiert seit Jahren über Palantir. Warum soll eine Firma sensible Daten in die Hände eines Konzerns wie Palantir geben, der in 17 Jahren noch keinen Gewinn geschrieben hat, fragt sie zum Beispiel. Neben Wirtschaftsunternehmen wird Palantir auch von staatlichen Institutionen wie Geheimdiensten und Polizei in Anspruch genommen – so war es in Hessen geplant, so ist es etwa in den USA, wo die Tech-Firma mit ihren Recherchemethoden geholfen hat, Terroristenführer Osama Bin Laden aufzustöbern. Ex-CIA-Chef Michael Hayden beschreibt Karp vor Sterns Kamera als „intriguing“ – faszinierend. Auch die Ukraine setzt in der Verteidigung gegen den russischen Aggressor auf Palantir-Produkte.

Klaus Stern spricht aber auch mit Karps Doktormutter Karola Brede (er habe eine „Identität, die auf der ständigen Möglichkeit des Nicht-mehr-Dazugehörens aufbaut“), mit einem Kollegen aus Karps Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Frankfurt, und mit Kameramann Thomas Giefer, der mit Karp schon vor Jahrzehnten zusammengearbeitet hat. Giefer ist jetzt auch Klaus Sterns Kameramann – ein Coup, der ihm die Türen zumindest etwas öffnet. Am aussagekräftigsten und ausführlichsten sind Statements eines Palantir-Aussteigers: Alfredas Chmieliauskas gibt Einblicke in das Recruiting, Problemmanagement und die besondere Aura des Firmenchefs („Er spielt die Rolle des guten Hobbits“). Chmieliauskas lebt heute im Süden Spaniens, das ergibt herrliche Aufnahmen am Meer, in weißen Dörfern und mit Blicken in den Sonnenuntergang. Der Name Palantir kommt aus der Fantasy-Saga „Der Herr der Ringe“ und bezeichnet dort „Sehende Steine“, die miteinander kommunizieren. Deshalb nennt er ihn auch Hobbit nach den Helden der Saga.

Ohne simplifizierende Antworten zu geben, liefert der Film viel Gedankenfutter zu Fragen der Überwachung und unserer Leichtsinnigkeit gegenüber Technologien in den Händen von undurchsichtigen Konzernen. Viele Bilder, Schauplätze, Szenenschnipsel, Persönlichkeiten lassen das Werk aber auch ziemlich überfrachtet wirken und tragen nicht unbedingt zur größeren Klarheit bei.

Premiere mit Klaus Stern am Mittwoch, 19.30 Uhr, Balikino, Bundesstart 6. Juni

Das sagt Filmemacher Klaus Stern

Ausgangspunkt: Es fing damit an, dass ich mich 2017 mit dem Kameramann Thomas Giefer in einem Biergarten in Kreuzberg getroffen habe. Er hat mir von einem Typen erzählt, mit dem er mal vor Jahrzehnten gedreht hat und den er jetzt auf dem Cover der Zeitschrift „Forbes“ wiederentdeckt hat: Alex Karp, der sei jetzt eine große Nummer. Er hatte noch nie von Palantir gehört, ich auch nicht, auch nicht von Alex Karp.

Herausforderungen: Enorm. Die Leute von Palantir sind total geheimniskrämerisch, wahrscheinlich sagen die nicht mal ihren Ehefrauen ihren richtigen Namen. Zum Teil haben mir Mitarbeiter Interviews zugesagt und dann zwei Tage vorher ohne Begründung abgesagt. Die haben alle Geheimhaltungsverträge abgeschlossen, sogar die Bewerber müssen das unterschreiben. Das gehört zum Kult und der zieht die Leute an. fra

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