Palantir Technologies: Die geheimnisvollen Datensortierer (2024)

Irgendwie klingt das harmlos, gut, dann taucht man eben in einer Polizeidatenbank auf, man hat doch ohnehin nichts zu verbergen. Entscheiden die Ermittlerinnen und Ermittler aber, dass man relevant für einen Fall sein könnte, kann das weitere Abfragen zufolge haben, vielleicht sogar weitere invasive Überwachungsmaßnahmen. Letztlich handelt es sich bei der Software von Palantir um eine Maschine, mit der man potenziell das Leben von Menschen durchleuchten kann.

Den Nutzen der Software für die Arbeit der Polizei oder auch für Geheimdienste stellt fast niemand in Abrede. Doch Kritikerinnen und Kritiker sehen ein ebenso massives Missbrauchspotenzial. Je nach Nutzung liege die Anwendung zwischen sinnvollem Nutzen von Regierungsressourcen und einem wahrlich totalitären Alptraum, schrieb die US-Bürgerrechtsorganisation ACLU schon 2011. "Meet Big Brother", titelte Forbes 2013 zu einem Bild von Alex Karp. Ein Palantir-Mitarbeiter wird in dem Text mit den Worten zitiert, entgegen der erhabenen Prinzipien von Palantir sei die tägliche Priorität, die Kunden bei der Polizei und bei Geheimdiensten zufrieden zu stellen. Es gibt Geschichten über Palantir, die diese Überwachungserzählungen zu belegen scheinen – heimliche Zusammenarbeit mit der Polizei in New Orleans, gemeinsames Werkeln an Spähprogrammen der NSA.

Auch in Deutschland wird die Zusammenarbeit mit Palantir kritisch gesehen. "Aus Sicht der Grundrechte steht Hessendata im Konflikt mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Bestandteil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes", schrieb Kriminologe Tobias Singelnstein 2019 auf netzpolitik.org. "Im Besonderen stellen Massendatenauswertungen, wie sie mit Hessendata möglich sind, den im Datenschutzrecht zentralen Zweckbindungsgrundsatz infrage." Letzterer besage, dass Daten grundsätzlich für den Zweck genutzt werden dürfen, zu dem sie auch erhoben wurden. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte bemängelte: "Wer in den Fokus einer automatischen Datenanalyse gerät, wird schnell zum gläsernen Menschen."

In Hessen wurde die Frage gestellt, ob es andere Unternehmen gegeben hätte, die die Aufgabe hätten übernehmen können. Dort befasste sich ein Untersuchungsausschuss mit Palantir, es ging darum, ob die Auftragsvergabe an Palantir möglicherweise rechtswidrig verlaufen sei. In einer Marktanalyse war das Polizeipräsidium in Frankfurt zu dem Ergebnis gekommen, dass einzig Palantir alle gewünschten Leistungen würde erfüllen können, etwa eine fertige Analyseplattform liefern und eine Recherchefunktion für soziale Netzwerke bereitstellen.

Ein Gutachter wiederum hatte mitgeteilt, dass Anbieter wie IBM oder SAP durchaus ähnliche Leistungen hätten erbringen können. Die CDU, die damals schon mit den Grünen die Landesregierung stellte, argumentierte in dem Bericht: Der Gutachter habe nicht überprüft, ob die Anbieter tatsächlich in der Lage gewesen wären, eine solche Analysesoftware zu liefern. Die SPD, die in der Opposition sitzt, argumentierte: Die Behauptung der Regierungsparteien, nur Palantir sei in der Lage gewesen, die von dem Auftraggeber geforderten Leistungen zu erbringen, sei durch den Sachverständigen "eindeutig widerlegt" worden. Koch von der hessischen Polizei sagt: Kein Mitbewerber habe sich über das Verfahren beschwert. Richtig geklärt ist die Frage nicht.

In dem Untersuchungsausschuss ging es auch um grundsätzliche Vertrauensprobleme mit Palantir. Die Linke etwa merkte an: Ob die Nutzung von Palantir in Deutschland US‐Geheimdiensten neue Möglichkeiten biete, sensible Daten abzuschöpfen, könne nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden.

Von der Gefahr, die Missbrauchsgefahr zu unterschätzen

Was ist also mit dem Schutz der Bürgerrechte, den Gründer Thiel schon 2013 als einen Kern des Geschäfts postulierte? Nun, zumindest kann man in der Gotham-Software nachvollziehen, wer welche Daten angesehen hat. Es ist dieses Feature, das Christian Wiese Svanberg begeistert. Er ist Chief Privacy Officer und Leiter des Datenschutzzentrums bei der dänischen Polizei. Er betont während eines Gesprächs in Kopenhagen mehrfach, dass die Palantir-Software, die das hauseigene POL-INTEL-System unterstütze, in Sachen Datenschutz die wichtigste Anschaffung in der Geschichte der dänischen Polizei gewesen sei. "Wir können alles prüfen, was auf der Plattform passiert", sagt er. "Wir registrieren selbst, wenn jemand seine Maus über eine Fallakte fahren lässt." Und wenn jemand ein sehr großes Datenpaket teile, werde sein Privatsphäre-Team sofort benachrichtigt.

Früher habe man wenig Wissen darüber gehabt, ob Daten geteilt wurden oder nicht. Verglichen damit sei die Gotham-Software ein Quantensprung. Auch die hessische Polizei hat diese Protkollierungsfunktion eingebaut, Zufallskontrollen werden regelmäßig dem behördlichen Datenschutzbeauftragten vorgelegt. Heißt: Die mächtige Suchmaschine für Sicherheitsbehörden hat eine Art Wegfahrsperre. Wer sie nutzt, muss damit rechnen, sich dafür rechtfertigen zu müssen. Zumindest dann, wenn in den Sicherheitsbehörden alle Kontrollmechanismen so funktionieren, wie sie sollen.

Palantir Technologies: Die geheimnisvollen Datensortierer (2024)

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