Palantir Technologies: Die geheimnisvollen Datensortierer (2024)

Die mit Milliarden US-Dollar bewertete Firma Palantir geht an die Börse. Sie arbeitet mit Geheimdiensten zusammen. Und mit der hessischen Polizei. Ein Grund zur Sorge?

Von Leonie Sontheimer, Berlin, Lisa Hegemann, Frankfurt am Main und Kopenhagen, und Gregor Becker, Kopenhagen

121 Kommentare
Palantir Technologies: Die geheimnisvollen Datensortierer (1)

Wenn man Alex Karp an diesem Morgen im Februar 2019 zuhört, schimmert schnell durch, warum seine Firma Palantir Technologies als eines der umstrittensten Unternehmen im Silicon Valley gilt. Das Vodafone-Institute hat an diesem Dienstag zu einer hochkarätig besetzten Veranstaltung zur Digitalisierung Europas in Berlin geladen. Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht, der damalige Airbus-Chef Tom Enders – und Alex Karp, der Gründer und CEO der Datenanalysefirma Palantir.

Karp, dunkler Anzug, blau-weiß gestreiftes Hemd, grau melierte und wild abstehende Locken, sitzt in einem roten Sessel und darf zunächst erklären, wie Palantir entstand. Sein späterer Mitgründer Peter Thiel habe ihn angerufen und gesagt, er habe eine großartige Idee für die Visualisierung von Daten. So großartig fand Karp die aber offenbar zunächst gar nicht, erzählt er auf der Bühne: Erstens sei die Idee technisch völlig wertlos gewesen, denn nicht die Visualisierung sei wichtig gewesen, sondern die Arbeit mit den Daten und die Software, die es dafür brauche. Und zweitens, sagt er, verliebe man sich nicht in die Zusammenführung von Daten. Die sei wahnsinnig langweilig und wahnsinnig technisch. "Aber man kann sich in das Stoppen von Terroranschlägen verlieben. Und ich habe mich in Datenschutz und den Kampf gegen Terror verliebt."

Daten mit einer Software zusammenführen, das mag zunächst unverfänglich klingen. Was Karp aber in seinen Erklärungen außen vor lässt, ist die Frage, um welche Daten es in Palantirs Systemen geht: Es können persönliche Daten wie E-Mails, Telefonkontakte oder das Kennzeichen und Modell des Autos sein. Wenn verschiedene Datensysteme zusammengelegt werden, um bestimmte Verknüpfungen zu machen, könnten auch Verbindungen zu völlig Unbeteiligten hergestellt werden, die einfach zufällig in einem Datensystem auftauchen. Zum Beispiel einem der Polizei. Die Zusammenführung von Daten, so sehen es Kritikerinnen und Kritiker, kann dann schnell und massiv in die Grundrechte von Menschen eingreifen.

All diesen Bedenken zum Trotz: Alex Karp und Peter Thiel stellen mit Palantir in Aussicht, dass man Sicherheit durch Datenanalyse schaffen kann, unter Berücksichtigung der Privatsphäre. Dafür analysiert und sortiert die Software des Unternehmens große Datenmengen und macht sie durchsuchbar. Die Erzählung: Mit schnelleren, besseren Ermittlungen kann man Anschläge vielleicht verhindern.

Das ist ein Versprechen, das zieht. 125 Kunden arbeiten mit Palantir zusammen, darunter sollen Berichten zufolge schon die NSA, FBI und die CIA gewesen sein, aber auch Privatunternehmen wie zum Beispiel der deutsche Dax-Konzern Merck. Und es ist dieses Versprechen, mit dem das Unternehmen nun am Mittwoch an die New Yorker Börse gehen will. Mit einer Milliardenbewertung –vor dem Börsengang wurde sie auf 15 Milliarden US-Dollar taxiert. Bleibt die Frage: Kann es sein Versprechen von komplexen Datenanalysen unter Einhaltung von Datenschutz halten?

Der Libertäre und der Linke

Als Geschäftsmodell klingt das natürlich verlockend: eine Software, interessant für Kunden aus der ganzen Welt, aus öffentlichem Sektor und privatem. "Skalierbar" würde man das in der Start-up-Szene nennen. Doch obwohl es etliche Berichte über Palantir und die Funktionsweise seiner Software gibt, bleibt ein Hauch von Geheimnis, wenn es darum geht, was die Software wirklich kann. Manche halten die Software für gehypt, der Erfolg liege vor allem im benutzerfreundlichen Design und basiere nicht auf der großartigen Technik.

Für die einen ist Palantir einfach ein Dienstleister, der sehr gut darin ist, große Datenhaufen zu sortieren und die relevanten Infos schnell auffindbar zu machen. So wie Google oder Bing – nur unter anderem für Ermittlerinnen und Ermittler, die etwas über Gefährder oder Gefährderinnen, ihre Verbindungen oder ihre Verhaltensweisen wissen wollen. Andere befürchten, dass Palantirs Software jeden Menschen gläsern macht. Denn wer Verbindungen sichtbar macht, wühlt dabei vielleicht auch im Leben unbeteiligter Menschen herum.

Das Ominöse an dem Unternehmen scheint schon im Namen eingepreist: Es ist benannt nach den Palantiri, den sehenden Steinen in J. R. R. Tolkiens Mittelerde-Welt. Gegründet wurde Palantir 2003 von Nathan Gettings, Joe Lonsdale, Stephen Cohen, Karp und Thiel. In der öffentlichen Darstellung tauchen aber fast nur die beiden letzteren auf. Vielleicht, weil sie so schöne Gegensätze zu bilden scheinen: Auf der einen Seite der einstige Paypal-Gründer Thiel, ein bekennender Libertärer und einer der wenigen Tech-Protagonisten, der US-Präsident Donald Trump unterstützt.

Thiels Gegenpart Karp ist der Sohn von Hippies, der an der Frankfurter Universität in Philosophie promoviert hat. Karp kokettiert gerne mit seinem Werdegang, auf der Bühne in Berlin sagt er, "as a Sozialwissenschaftler, you're unemployable", als Sozialwissenschaftler finde man keine Arbeit. Das ungewöhnliche Gespann könnte ein Erfolgsfaktor von Palantir sein: Thiel hat sich nicht nur als Paypal-Gründer, sondern auch als früher Facebook-Investor einen Namen gemacht und ist in der Start-up-Szene gut vernetzt. Karp gibt den Intellektuellen, dem man seinen linken Touch gerade noch so eben abkauft.

Palantir Technologies: Die geheimnisvollen Datensortierer (2024)

References

Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Cheryll Lueilwitz

Last Updated:

Views: 6442

Rating: 4.3 / 5 (54 voted)

Reviews: 85% of readers found this page helpful

Author information

Name: Cheryll Lueilwitz

Birthday: 1997-12-23

Address: 4653 O'Kon Hill, Lake Juanstad, AR 65469

Phone: +494124489301

Job: Marketing Representative

Hobby: Reading, Ice skating, Foraging, BASE jumping, Hiking, Skateboarding, Kayaking

Introduction: My name is Cheryll Lueilwitz, I am a sparkling, clean, super, lucky, joyous, outstanding, lucky person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.